Kann Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch gelingen?

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00:00:08: Herzlich willkommen beim Podcast zwischen Zettel und Stift am Schreibtisch mit der Pro-Redaktion.

00:00:14: Wir sprechen darüber, was uns in der Redaktion von ProGrad beschäftigt, welche aktuellen Themen wir beobachten und blicken ein bisschen in den Maschinenraum unserer Redaktion.

00:00:24: Wie haben wir recherchiert, wie sind Texte entstanden, wie waren unsere Begegnungen mit Interviewgästen?

00:00:30: Und wir freuen uns natürlich über Fragen zu uns und unsere Arbeit, Also meldet euch sehr gern und schickt uns eure Fragen.

00:00:37: Mein Name ist Jonathan Steinert.

00:00:39: Ich bin Redaktionsleiter Print.

00:00:42: Und in der ersten Folge dieses Podcasts spreche ich mit meiner Kollegin Anna Lutz.

00:00:46: Sie arbeitet zusammen mit Martin Schlorge im Berlin-Büro unserer Redaktion.

00:00:51: Hallo Anna.

00:00:52: Hallo Jonathan.

00:00:54: Anna, du hast jetzt für die aktuelle Pro, die Ausgabe fünf, fünfundzwanzig, gleich mehrere Beiträge beigesteuert.

00:01:00: Da ist zum Beispiel ein Interview mit Matthias Mirsch.

00:01:04: der ist der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, dann hast du den Krebsforschau und Mediziner Volker Deal interviewt und du hast eine sehr umfangreiche Recherche gemacht zu der Frage, wie es eigentlich gelingen kann, Missbrauch und sexualisierte Gewalt in kirchen- und christlichen Organisationen in Gemeinden aufzuarbeiten.

00:01:25: Bevor da es gleich nochmal richtig in die Tiefe gehen und von dir erfahren, wie du da so vorgegangen bist und was du erlebt hast, noch eine kurze Zwischenbemerkung.

00:01:34: Pro, wer das jetzt nicht kennt, erscheint sechsmal im Jahr als gedrucktes Magazin.

00:01:39: Das ist kostenlos und man kann das auch online lesen und natürlich online bestellen unter pro-medienmagazin.de.

00:01:49: Unsere ganze Arbeit, die wir hier machen in der Redaktion, finanziert sich fast ausschließlich über Spenden.

00:01:54: Wenn euch also unser Podcast und das Magazin gefallen, dann freuen wir uns natürlich über eure Unterstützung.

00:02:00: Hinweise dazu findet ihr ebenfalls auf unsere Website und in den Shownotes.

00:02:07: So, Anna, jetzt geht es aber zu den Inhalten.

00:02:11: Ich würde gerne kurz erst mal mit dir über den Herrn Miersch sprechen.

00:02:14: Matthias Miersch, kannst du noch mal sagen, wer das eigentlich ist?

00:02:19: Ja, genau, der Matthias Miersch, der ist, das hast du ja auch schon richtig gesagt, SPD-Fraktionschef im Deutschen Bundestag.

00:02:28: Und der war aber vorher auch schon vieles.

00:02:32: Und zwar Generalsekretär, nur für eine kurze Zeit, nachdem Kevin Kühnert seinen Rücktritt erklärt hat aus gesundheitlichen Gründen.

00:02:41: Und eigentlich ist der Matthias Meersch Umweltpolitiker.

00:02:45: Das kommt jetzt, wenn man den so in den Nachrichten sieht und hört, nicht mehr so raus.

00:02:49: Aber eigentlich hat er sich immer viel mit ... dem Thema Umwelt beschäftigt.

00:02:54: Der sitzt seit dem Jahr im Deutschen Bundestag, stammt aus der Nähe von Hannover und gehört innerhalb der SPD zur parlamentarischen Linken.

00:03:05: Also ist unter den Linken ein Linker.

00:03:09: Und wie bist du jetzt draufgekommen, Ihnen zu Interviewen für Pro?

00:03:14: Der Matthias Miersch war uns aufgefallen beim deutschen evangelischen Kirchentag.

00:03:22: dem Kollegen Martin Schlorke, um genau zu sein.

00:03:24: Der war nämlich beim SPD-Empfang auf dem Kirchentag.

00:03:28: Also für die, die da jetzt vielleicht noch nicht waren auf so Kirchentagen, gibt's immer politische Empfänger.

00:03:33: Also jede Bundestagsfraktion macht da politische Empfänger und die SPD eben auch.

00:03:42: Und da war der Matthias Mirsch eben als Sprecher auch zu Gast.

00:03:49: Und hat da gesagt, mein politisches Engagement hängt elementar mit der Kirche zusammen.

00:03:56: Und da ist der Kollege Hellhörig geworden.

00:03:58: Also Matthias Milch sagte da auch noch einiges über seine CVJM-Vergangenheit.

00:04:02: Der war nämlich aktiv im CVJM früher.

00:04:06: Genau, und dann haben wir gedacht, das ist spannend, mit dem wollen wir mal sprechen.

00:04:12: ist ja euch auch sonst schon mal aufgefallen, dass er sich irgendwie öffentlich für den Glauben geäußert hatte?

00:04:16: oder war das jetzt sozusagen die initiale Wahrnehmung von ihm?

00:04:21: Also ich habe das vorher nicht so wahrgenommen, ehrlich gesagt.

00:04:24: Ich habe dann natürlich in der Recherche, als ich mich auf das Interview vorbereitet habe, schon so das ein oder andere Statement von ihm dann noch... gelesen, aber so richtig viel hat er jetzt öffentlich, glaube ich, vorher nicht drüber gesprochen.

00:04:38: Das mag aber auch damit zusammenhängen, dass ihn niemand gefragt hat.

00:04:41: Weil ich hatte schon das Gefühl, dass der ganz gerne über seinen Kirchenhintergrund spricht und also, dass ihm das einfach ein wichtiges Thema auch ist.

00:04:53: Wie hast du das gemerkt, dass ihm das wichtig ist?

00:04:55: Oder wie ist überhaupt dieses Gespräch dann zustande gekommen?

00:04:57: Vielleicht kannst du mal sagen, wie sich das angebahnt hat.

00:05:01: Ja, also das funktioniert ja normalerweise so, wenn wir in Berlin mit einem Politiker sprechen wollen, dann gehen wir, wenn wir die nicht sowieso schon aus irgendwelchen Kontexten kennen, dann gehen wir über die Büros, also über die Bundestags, die Abgeordnetenbüros und fragen da an, ob die Lust haben, mit uns zu sprechen.

00:05:19: Und das kann manchmal sehr lange dauern, bis man da eine Rückmeldung bekommt.

00:05:23: Also wir sind ja jetzt nicht der Spiegel und auch nicht die Tagesschau, sondern Ein Magazin aus dem evangelischen Bereich, das auch viele tolle Leser hat, aber eben nicht ganz so relevant ist wie der Spiegel vielleicht für die Politiker zumindest.

00:05:37: Und deshalb dauert es manchmal ein bisschen, bis man eine Rückmeldung bekommt.

00:05:39: Also ich bin immer überrascht, wie viele dann doch mit uns sprechen wollen und sich die Zeit nehmen.

00:05:46: Aber die ... Genau, manchmal dauert es einfach lange.

00:05:49: Und bei Matthias Meersch war das so.

00:05:51: Da haben wir das genauso auch gemacht.

00:05:52: Also ich bin über die ... Ich glaube, in dem Fall der Fraktion gegangen und habe nachgefragt, ob wir ein Interview bekommen.

00:06:01: Und das hat relativ schnell funktioniert.

00:06:03: Ich glaube, ich habe im Juni oder so das erste Mal angefragt.

00:06:07: Und dann hatten die uns schon was Angeboten für vor der Sommerpause, also Juli oder sowas.

00:06:12: Und dann hat das aber aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert.

00:06:15: Die lagen aber auf meiner Seite nicht auf Matthias Mehl's Seite, das muss man fairerweise sagen.

00:06:21: Die Hinderungsgründe.

00:06:22: Und dann wurde das am Ende dann doch September, bis wir sprechen konnten.

00:06:25: Aber man hat schon gemerkt, dass der das eigentlich gerne machen möchte.

00:06:29: Und ich habe das dann auch noch mal.

00:06:31: als Kurz vor dem Termin, habe ich noch mal mit dem SPD-Sprecher, also für die Fraktion, die haben ja verschiedene Pressesprecher, mit einem von denen gesprochen habe, gemeint, na ja, warum?

00:06:42: Warum hat das denn so schnell geklappt?

00:06:44: Und dann hat der auch noch mal gesagt, das ist dem Herrn Mir schon ein Anliegen gewesen.

00:06:48: Der möchte gerne über dieses Thema Glaube und Kirche sprechen.

00:06:53: Und das muss man, glaube ich, auch sagen, was, was jetzt nicht alle Tage passiert.

00:06:57: Also, das habe ich noch nicht so oft gehört von Pressesprechern, von wichtigen Politikern.

00:07:03: Ja, interessant.

00:07:05: Was hatte der dann gesagt im Interview?

00:07:06: Für alle, die es noch nicht gelesen haben, vielleicht können wir einen kleinen Vorgang.

00:07:10: vorab Ausblick schon mal geben.

00:07:12: Also der größte Aufreger im Interview war ja, glaube ich, dieses Jesus ist ein Linker.

00:07:19: Ich hoffe, ich habe das jetzt richtig zitiert.

00:07:23: Also ich habe ihn gefragt, woher sein Glaube kommt oder woher seine Kirchenaffinität auch kommt.

00:07:29: und dann hat er so ein bisschen erzählt, dass er von klein auf eigentlich in der Kirche oder seit er ein Jugendlicher ist in der Kirche aktiv.

00:07:39: war und auch Jugendstunden gemacht hat und so was und Freizeiten organisiert hat.

00:07:44: Also sich da schon sehr engagiert hat und sehr reingehangen hat, obwohl er nicht aus einem kirchlichen Elternhaus kommt.

00:07:51: Also eigentlich ganz, ganz spannend.

00:07:55: Und für ihn war und das höre ich auch öfter aus, ich sag mal, linkeren politischen Kreisen.

00:08:02: Für ihn war halt auch das Thema Befreiungsteologie.

00:08:06: Total wichtig, also er hat halt direkt auch so eine Verknüpfung mit politischen Inhalten da gesehen, in leeren die, also zum Beispiel in der Bergpredigt oder so.

00:08:16: Und daran hat er dann im Interview auch festgemacht, dass Jesus in seinen Augen ein Linker ist.

00:08:23: Ja, und das hat die SPD-Fraktion dann ihrerseits aufgegriffen witzigerweise und hat da so ein Zitatbild draus gemacht, nachdem das Interview bei uns online erschien war.

00:08:33: Und das ging dann bei X bzw.

00:08:36: ehemalig Twitter ganz schön rund.

00:08:38: Also, da gab es viele Reaktionen drauf.

00:08:41: Und das freut uns natürlich, wenn solche Zitate auf Fragen, die wir gestellt haben, solche Antworten, die dann gegeben werden, dann auch für ein bisschen Bass sorgen.

00:08:52: Es waren ja auch namhafte Leute, die da reagiert haben.

00:08:55: Also, religiospolitische Sprecher, auch Konstantin von Notz, von den Grünen, Katrin Göring-Eckardt von den Grünen, die haben sich geäußert.

00:09:03: Alle haben sich aufgeregt.

00:09:05: Fanden das alles sehr schwierig, anmaßend.

00:09:09: Auch viele Journalisten haben das auch mal kommentiert.

00:09:12: Das hat auf jeden Fall für Diskussion und für Aufmerksamkeit natürlich gesorgt.

00:09:16: Ja,

00:09:17: das war schön.

00:09:19: Zu der Frage, ob jetzt Jesus wirklich ein Linker war oder ist, hat unsere Kollege und Nikolai Franz ein Kommentar online veröffentlicht.

00:09:26: Also das könnt ihr gerne nochmal nachlesen.

00:09:30: Wir verliegen das gerne in den Show-Notes.

00:09:32: Eine Pointe möchte ich schon mal vorwegnehmen.

00:09:35: Ich habe mich nämlich jetzt gerade auch schon versprochen.

00:09:38: Mir sagt im Pro-Interview nämlich nicht, Jesus war ein Linker, sondern Jesus ist ein Linker.

00:09:44: Und Nico schreibt, dass jemand ist, sagt man nicht, ob Gandhi, Goethe oder so gerade es, sie waren, Jesus ist, weil er lebt.

00:09:54: Also eine Botschaft, die man vielleicht nicht auf den ersten Blick sieht.

00:10:00: die auch in diesem Zitat drin steckt.

00:10:03: Ja, Anna, sehr spannend.

00:10:04: Vielen Dank für den Einblick in dein Interview mit Herrn Mirsch.

00:10:08: Dann kommen wir mal zu dem zweiten Thema, was eigentlich dein erstes Thema wäre von der Priorität wahrscheinlich und auch vom Aufwand her, nämlich die Frage, wie kann eigentlich oder kann überhaupt die Aufarbeitung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt gelingen?

00:10:24: Und ich habe noch mal überlegt, wie wir auf dieses Thema gekommen sind.

00:10:28: Ich glaube, das war auch, weil wir zusammen darüber diskutiert haben, genau über diese Frage.

00:10:33: Du hattest in den Filmen gesehen die Kinder von Kornthal.

00:10:37: Ich hab auch die Aufarbeitungsgeschichte von denen ein bisschen verfolgt, von der Brüdergemeinde in Kornthal.

00:10:43: Und kannte da auch ein paar Punkte davon.

00:10:46: Und dann haben wir genau über diese Frage diskutiert.

00:10:48: Kannst du was überhaupt so gelingen, dass auch die Betroffenen sagen, dass ... War eine gute Aufarbeitung, wir sind irgendwie zufrieden gestellt.

00:10:56: Oder ist das überhaupt ein utopisches Ziel eigentlich?

00:11:00: Und du hast dich da in die Recherche reinbegeben.

00:11:03: Das ist ja jetzt ein sehr sensibles und ein komplexes Thema.

00:11:07: Wie hast du dich denn dem genährt?

00:11:09: Wo kann man denn Antworten auf so eine Frage finden?

00:11:13: Ja, genau.

00:11:14: Also... Genau, wir beide fanden die Ausgangsfrage dann doch sehr relevant, weil wir ja auch immer wieder gesehen haben, oder wahrscheinlich nimmt das auch jeder so ein bisschen wahr, der mit Kirche vor allen Dingen zu tun hat, dass ja Aufarbeitung oft eben nicht gelingt.

00:11:29: Also so Aufarbeitungskommissionen in Kirchen, in Gemeinden, in Vereinen, die fliegen auseinander, Betroffenen, Beirette fliegen auseinander, weil man da irgendwie nicht auf einen Nenner kommt.

00:11:41: Und ja.

00:11:42: Die Frage, kann das überhaupt irgendwie funktionieren, wenn da so viel Leid vorher passiert ist, die ist, glaube ich, superrelevant.

00:11:52: Und von daher fand ich es auch total gut, dass wir uns damit beschäftigt haben.

00:11:58: Wie geht man daran, als so ich, das ist ja erst mal schwierig, weil alle Parteien, die direkt damit zu tun haben, seien es Betroffene oder seien es, in unserem Fall ja Kirchen, Gemeinden oder diakonische Einrichtungen oder so, die haben ja alle einen Eigeninteresse.

00:12:16: bei dem Thema.

00:12:17: Die einen wollen die Organisationen schützen, die anderen wollen natürlich, dass ihr ihr Leid aufgearbeitet wird und dass Täter gefunden werden und so weiter.

00:12:26: Also jede Partei, die da beteiligt ist, hat ein eigenes Interesse.

00:12:29: Und deshalb fand ich das ganz hilfreich, erstmal bei den Kollegen zu gucken und bei den Kolleginnen, was sie eigentlich schon so gemacht haben dazu, also bei den Journalisten.

00:12:39: Und da fällt einem ganz schnell Christiane Florin auf, weil die sich schon seit vielen Jahren, also seit Beginn der Aufdeckung von Missbrauchsfällen in der Kirche eigentlich, damit beschäftigt.

00:12:51: Seit dem Kanisius-Kolleg öffentlich wurde, also der erste große aufgedeckte Missbrauchsfall eigentlich.

00:13:01: Und genau, dann habe ich die für ein Interview angefragt, habe auch ihr Buch gelesen, also sie hat mehrere geschrieben, aber sie hat jetzt jüngst eines veröffentlicht, wo sie auch mit einem Betroffenen sehr lange gesprochen hat und seinen Fall mit ihm zusammen, muss man sagen, aufgearbeitet hat.

00:13:17: Und dann irgendwann hat dann auch die Betroffene Organisation mitgemacht, das hat aber ein bisschen gedauert.

00:13:24: Genau, das ist das Erste, was ich gemacht habe.

00:13:25: Ich habe bei den Kollegen geguckt, was die so geschrieben haben, wie die sich dem Thema genähert haben.

00:13:30: Ganz

00:13:31: kurz, Christiane Florin, wer sie nicht kennt, war tätig für den Rheinischen Merkur, meine ich, als es den noch gab und dann für Christ und Welt.

00:13:41: Dann war sie beim Deutschlandfunk und sie war katholisch, ist aber dann ausgetreten, hast du gesagt?

00:13:46: Genau, ist ausgetreten.

00:13:49: Ich glaube, da spielt und auch die Missbrauchsfälle eine Rolle, aber vor allen Dingen auch wegen der Frage der Frauen in der Katholischen Kirche ist sie dann letztendlich ausgetreten.

00:13:57: Aber das ist ja nicht das Thema jetzt, sondern die Missbrauchsthematik.

00:14:02: Mit der habe ich gesprochen, die hat mir auch sehr viele spannende Sachen aus ihren Recherchen erzählt.

00:14:06: Und dann gibt es natürlich super viele offizielle Stellen, bei denen man nachfragen kann.

00:14:10: Also jeder, der so ein bisschen Nachrichten guckt, weiß das.

00:14:13: Es gibt mittlerweile ... verschiedene Stellen, die sich mit sexuellem Missbrauch, sexueller Gewalt beschäftigen, weil man einfach die Relevanz des Themas Gott sei Dank ja erkannt hat.

00:14:25: Und da gibt es zum Beispiel die unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, das ist die Kerstin Klaus.

00:14:32: Die habe ich zuerst angefragt, die wollte uns aber kein Interview geben aus Gründen, die ich nicht ganz nachvollziehen kann, weil sie ist ja nun mal eigentlich dafür zuständig.

00:14:40: Und dann haben die mich aber weiter gereicht an die Aufarbeitungskommission des Bundes.

00:14:44: Man muss immer aufpassen, es gibt da viele, viele verschiedene Stellen und die wollen alle richtig ausgesprochen werden.

00:14:49: Also die Aufarbeitungskommission des Bundes.

00:14:51: Und da habe ich dann mit der Vorsitzenden gesprochen, mit der Julia Gebrande, habe ich mich hier in Berlin getroffen.

00:14:58: Das war sehr spannend.

00:14:59: zu der Frage, wie kann denn Aufarbeitung funktionieren?

00:15:04: Und dann habe ich natürlich auch die Gemeinden, die sowas schon mal aufgearbeitet haben oder diakonische Einrichtungen, also du hast Kornthal gerade schon angesprochen, die habe ich angefragt und nicht zuletzt, sondern eigentlich als erstes natürlich auch Betroffene.

00:15:19: Eine Betroffene hat ja auch dir gegenüber im Grunde das erste Mal ihre Geschichte öffentlich erzählt.

00:15:25: Wie kam es denn eigentlich dazu?

00:15:28: Ja, es war eigentlich nicht so kompliziert, wie man sich das vorstellt.

00:15:31: Ich habe eine Anfrage gestellt an, jetzt kommt wieder so eine Kommission, so eine Stelle, an das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland.

00:15:42: Denn auch die Evangelische Kirche in Deutschland hat mittlerweile verschiedene Stellen, die sich mit dem Thema beschäftigen, was ja auch wichtig ist.

00:15:49: Und genau, ich habe einfach eine Anfrage gestellt, gibt es jemanden, der seine Geschichte erzählen möchte und daraufhin.

00:15:57: hat sich dann eine Person gemeldet.

00:15:59: Das war aber ein langer Prozess, bis klar war, ob sie das wirklich auch öffentlich erzählen möchte.

00:16:07: Wir sind dann am Ende auch so vorgegangen, dass wir den Namen trotzdem geändert haben.

00:16:10: Also das, was man jetzt in der Pro-Lies, das ist ein geänderter Name, ist nicht der echte Name.

00:16:16: Und das, finde ich, sagt ja auch schon so vieles.

00:16:19: Es gibt immer noch so viele Betroffene, die das Gefühl haben, nicht offen über ihr.

00:16:26: Leid und das, was sie erlebt haben, sprechen zu können, kann man ja auch total verstehen.

00:16:32: Aber ja, das war eigentlich bis zum Druck der Ausgabe auch nicht so ganz klar, ob wir das dann wirklich da reinbringen oder nicht.

00:16:39: Also hätte sie es auch zurückziehen können, dass das Gespräch war?

00:16:42: Jederzeit.

00:16:43: Ja, natürlich.

00:16:44: Also das hab ich ja auch von Anfang an freigestellt.

00:16:46: Natürlich muss ich ja, also das geht ja gar nicht anders, wenn man da jemanden hat, der schreckliche Dinge erlebt hat.

00:16:53: Dann, finde ich, gehört das ja auch dazu, dass man bis zum Ende sagt, wenn sie sich noch umentscheiden, dann nehmen wir es halt raus.

00:17:01: Also die Sicherheit hatte sie natürlich immer.

00:17:04: Jetzt hat sie auch dazu gehört, dann auch die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen.

00:17:09: Also sie hat Vorfälle in ihrer Kirchengemeinde erlebt und du bist dann auch auf die Kirchengemeinde zugegangen und hast da noch mal nachgefragt, was da war oder was hast du die genau gefragt?

00:17:22: Ja, genau.

00:17:23: Also ich hab nachdem diese Person mir eben ihre Geschichte erzählt hat, die wie gesagt noch nie so öffentlich erzählt wurde, hab ich dann ihre Kirchengemeinde, die auch anonym bleibt, im Text angerufen, hab da auch relativ schnell eine Pfarrerin erreicht und hab die einfach mit der Frage ... Also, ich war ganz freundlich natürlich und hab halt so ein bisschen erzählt, was ich vorhabe, worum es in meinem Artikel gehen soll und so, weil die Pfarrerin, die da jetzt tätig ist, hat wirklich nichts mit dem, was da früher passiert ist zu tun.

00:18:00: Das muss man vielleicht auch dazu sagen.

00:18:02: Also es geht hier um ein Fall von einem Pfarrer, der auch kirchenrechtlich verurteilt wurde.

00:18:10: Also ... Das ist alles im Grunde schon abgeschlossen, der Prozess an sich.

00:18:15: Aber die Kirchgemeinde selber hat sich halt nie wirklich dazu geäußert oder irgendwie Aufarbeitung betrieben.

00:18:24: Das war was eigentlich wichtig ist an dem Fall.

00:18:27: Und das war auch was der Betroffene, mit der ich da gesprochen habe, wichtig war, dass da eine Aufarbeitung passiert.

00:18:33: Und dann habe ich ... eben diese Fahrerin erreicht und die war, glaub ich, sehr erschrocken, dass ich sie angerufen hab, was man ja auch total verstehen kann.

00:18:43: Ich meine, da ruft er aus dem Nichts so eine Journalistin an und will irgendwie was über Missbrauch hören und so und was die Kirchengemeinde da jetzt zu macht.

00:18:51: Und ja, also man hat einfach sehr doll gemerkt in dem Gespräch, dass ich mit ihr geführt hab, dass die Kirche, ich will das mal sehr wohlwollend sagen, das gilt wahrscheinlich auch für viele andere Gemeinden, man da immer noch, auch so viele Jahre, nachdem die ersten Missbrauchsfälle öffentlich wurden, völlig überfordert ist, mit der Frage, wie Aufarbeitung eigentlich gemacht wird.

00:19:18: Die sagte dann so Sachen wie Ja, aber die Betroffene wollte ja auch gar nicht, dass aufgearbeitet wird.

00:19:23: Die wollte ja überhaupt nicht.

00:19:24: Ich kann ja nicht einfach aufarbeiten, ohne mit der Betroffenen da was besprochen zu haben und so.

00:19:29: Das muss man einfach sagen, das ist aber falsch.

00:19:32: Natürlich sollte die Betroffene einbezogen sein, aber Aufarbeitung muss eigentlich immer passieren.

00:19:39: Egal, ob eine Betroffene jetzt möchte, dass sie in den Prozess an sich einbezogen wird.

00:19:46: Das spielt ja keine Rolle, weil man muss ja trotzdem Prävention betreiben und verhindern, dass so was sich wiederholt.

00:19:52: Und dafür ist ja Aufarbeitung auch gut.

00:19:54: Es geht ja nicht nur darum, dass die Betroffenen dazu ihrem Recht kommen.

00:19:58: Das ist auch total wichtig, aber das ist ja in dem Fall sogar schon mehr oder weniger passiert in der Vergangenheit, sondern es geht ja darum, dass die Kirchgemeinde an sich auch das Problem erkennt.

00:20:07: Also, man wirkt ja auch in die Gemeinde rein.

00:20:09: Na ja, und das habe ich halt gemerkt, dass das immer noch ... dass da einfach sehr viel Unsicherheit ist, dass man auch, obwohl es da mittlerweile in jeder Gemeinde irgendwie Schulungen zu gibt, also zumindest im landeskirchlichen Kontext und auch im katholischen Kontext, gibt es da überall Schulungen und so und trotzdem ist da immer noch eine große Unsicherheit.

00:20:30: Das fand ich schon überraschend, muss ich sagen.

00:20:34: Die Geschichte ging ja weiter.

00:20:35: Wir können ja schon mal ein bisschen vorgreifen.

00:20:38: Du hast jetzt, nachdem der Artikel jetzt auch dann schon im Druck gewesen ist und jetzt auch erscheint, ja, noch eine Rückmeldung bekommen, wie es in der Kirchengemeinde dann weiterging und in diesem Fall mit der Betroffenen.

00:20:52: Ja, genau.

00:20:52: Also, es geht immer noch weiter.

00:20:53: Da bin ich auch total froh drüber.

00:20:56: Und die Betroffene, mit der ich da gesprochen habe, ist auch total froh da drüber, denn tatsächlich ... Und das zeigt ja auch, dass die Pfarrerin in dem Fall das gar nicht wahrscheinlich böse gemeint hat im ersten Moment, dass sie da der Aufarbeitung so kritisch gegenüberstand.

00:21:10: Also ab dem Moment, wo wir recherchiert haben und wo die auch gemerkt haben, da ist was im Gange, haben die dann schon sich bewegt.

00:21:17: Also die haben Kontakt aufgenommen, noch mal zu der Betroffenen.

00:21:21: Da sind so leichte Ansätze von einer Aufarbeitung, also dem Beginn einer Aufarbeitung.

00:21:29: Jetzt auch zu sehen, also da gibt es erste Treffen, dass man auch mit einer Fachstelle sich da zusammen tut und so.

00:21:35: Also ja, das, was ich jetzt so höre, das finde ich durchaus positiv.

00:21:40: Und da sieht man ja auch dran, dass ... Ja, was ich eben auch schon gesagt habe, dass es oft einfach eine Unsicherheit gibt und gar nicht immer nur Bösen will.

00:21:49: Also, den gibt's natürlich auch.

00:21:51: Es gibt auch Organisationen, die wollen nicht aufarbeiten, die haben Angst um ihre Reputation und wollen das lieber alles unter den Teppich kehren.

00:21:57: Das kennen wir auch zu genüge aus dem kirchlichen Kontext und auch aus anderen Kontexten.

00:22:02: Aber oft, glaube ich, ist es einfach auch eine Unsicherheit.

00:22:05: Und ja, da bin ich froh, dass wir da auch durch unsere Recherche irgendwie was machen können.

00:22:10: Ich meine, das ist ja an sich auch erst mal nachvollziehbar.

00:22:13: Man wird mit einem schweren Vorwurf konfrontiert, hat da vielleicht noch keine Wurstellung, wie man überhaupt damit umgehen kann und ist dann erst mal völlig verunsichert, was da jetzt die nächsten Schritte sind, wie man sowas anpackt, was Aufarbeitung eigentlich genau bedeutet.

00:22:27: Was sind denn jetzt deine Erkenntnisse aus der Recherche?

00:22:31: Was braucht es denn auf diesem Weg von der Aufarbeitung und kann das denn so auch funktionieren, dass dann auch die Betroffenen sagen, ja, Das wurde irgendwie ausgeglichen oder wir wurden irgendwie zufrieden gestellt für das, was uns geschehen ist?

00:22:46: Ja, also ausgleichen kann man das, glaube ich, nicht.

00:22:48: Also, das ist auch eine falsche Annahme, darum geht es auch nicht.

00:22:51: Also, man kann dieses Gescheheneleit nicht wieder gut machen und das kann man auch von Betroffenen natürlich nicht erwarten, dass die dann sagen, ja, alles vergeben und vergessen.

00:22:59: Das ist, glaube ich, nicht der Sinn der Aktion.

00:23:01: Aber was sich schon ... Das haben mir die Kornthaler auch ein bisschen beigebracht.

00:23:08: Ich hatte viele Gespräche mit, oder ein besonders langes Gespräch, auch mit den heutigen Verantwortlichen in Kornthal.

00:23:16: Da ist ja einmal die Brüdergemeinde.

00:23:19: Und andererseits die Diakonie, wo wirklich furchtbare Missbrauchsfälle und sexualisierte Gewalt passiert ist.

00:23:28: Aber vor vielen Jahren schon, da geht es jetzt nicht ums heute, Und die sind ja wahnsinnig, wahnsinnig beschäftigt mit Aufarbeitung.

00:23:38: Und das ist auch ganz schrecklich schief gelaufen schon ein paar Mal bei denen.

00:23:42: Aber die sind halt weiterhin auf dem Weg, die arbeiten seit zehn Jahren auf.

00:23:47: Und die haben gesagt, also die wichtigste Frage, die ich denen gestellt habe war, was habt ihr denn aus den zehn Jahren gelernt, wo es auch Rückschläge gab und wo Betroffene auch ganz, ganz furchtbar unzufrieden auch waren, mit der Art und Weise, wie ihr aufgearbeitet habt und so.

00:24:01: Und die sagt, na ja, also das Wichtigste, was wir gelernt haben, ist eigentlich, dass man so eine Kultur von Aufarbeitung prägen muss.

00:24:09: Also, dass nicht darum geht, jetzt ein Schutzkonzept da in der Tasche zu haben oder eine bestimmte tolle Gedenkstelle da aufzustellen oder eine bestimmte Sache zu tun, sondern dass Aufarbeitung eigentlich was ist, was in die Kultur der Organisation übergehen muss.

00:24:28: Und bei Corentile zeigt sich das zum Beispiel darin, das finde ich wirklich auch toll, muss ich sagen.

00:24:34: Die haben regelmäßige Treffen zwischen Mitarbeitenden, also Leuten, die jetzt bei der Diakonie angestellt sind, die mit den Missbrauchsfällen von damals nichts zu tun haben, sondern die tatsächlich einfach da Mitarbeiter sind, regelmäßige Treffen zwischen denen und Betroffenen.

00:24:53: heutigen Erwachsenen, die als Kinder in den Kinderheimen der Diakonienkontal missbraucht wurden.

00:24:59: Und die machen dann, die gehen dann zusammen essen und so.

00:25:04: Und tauschen sich aus gar nicht unbedingt immer über diese Themen, sondern es geht einfach darum, dass es einen Miteinander gibt und dass es Begegnungen gibt.

00:25:12: Und das ist irgendwie so dieses A und O, glaube ich.

00:25:15: Zum einen, dass Begegnung ermöglicht wird, weil Begegnung, das wissen wir auch, das hilft immer.

00:25:20: Also einander begegnen, fördert immer das Miteinander.

00:25:24: Normalerweise zumindest, wenn man sich nicht völlig in die Haare kriegt.

00:25:27: Also das Kennenlernen, das Anderen, das Wahrnehmen, dass es ein Problem gab und vielleicht auch noch gibt, dass Missbrauch nicht aus dem Nichts kommt und dass einfach Menschen gibt, die davon betroffen sind.

00:25:39: Das ist für die Mitarbeitenden heute, glaube ich, total wichtig.

00:25:44: dass man halt schon erkennt, ich bin zwar selber kein Täter, keine Täterin oder so, aber ich bin in einer Organisation angestellt, wo es Täter gab und das gehört auch mit dazu, dass ich das anerkenne und dass ich das weiß.

00:26:00: und dass ich die Betroffenen wahrnehme.

00:26:02: Und andererseits, dass die Betroffene natürlich auch merken, ach, die Leute, die da heute arbeiten, das sind jetzt auch keine Monster.

00:26:08: Also das sind ganz normale Menschen.

00:26:11: Ja, also es sind eigentlich Selbstverständlichkeiten, die ich da so erzähle.

00:26:14: Aber diese Begegnung, das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt und dass man einfach ... Ein Aufarbeitung nicht als singuläres Ereignis oder so begreift, sondern als was, was sich über Jahre vollzieht und wahrscheinlich auch nie enden wird.

00:26:33: Ja, das kommt in dem Text ja auch vor.

00:26:35: Die Aussage Aufarbeitung endet eigentlich nie und man kann im Grunde nie sagen, dass es jetzt wirklich abgeschlossen irgendwann, sondern das ist dann einfach Teil der Organisation.

00:26:46: Ja, genau.

00:26:46: Und ich finde auch, das ist eigentlich ein wichtiger Punkt, dass Organisationen, wo es eben Missbrauchsfälle gab oder sexuelle Gewalt gab oder gibt, dass die auch erkennen, dass das Aufarbeitung für sie eigentlich nichts Schlechtes, sondern etwas Gutes ist.

00:27:05: Also ganz oft gibt es ja diesen Schutzreflex, der ist auch nachvollziehbar, finde ich eigentlich.

00:27:09: Also dann hört man, dass vor dreißig Jahren in der eigenen Organisation Verbrechen passiert sind und dann will man möglichst, dass das nicht in die Öffentlichkeit kommt.

00:27:18: Das kann man erst mal alles nachvollziehen.

00:27:20: Aber tatsächlich muss man ja sagen, Aufarbeitung sorgt dafür, dass sich sowas nicht wiederholt, im besten Fall.

00:27:28: Das schützt Mitarbeiter, das schützt ... Natürlich auch die Menschen, die da in Gemeinden, in Kirchen sind.

00:27:37: Also es ist eigentlich was, wovon Organisationen profitieren.

00:27:42: Und das, glaube ich, wird noch zu wenig gesehen.

00:27:45: Es wird immer eher so als etwas, als so ein schwarzer Fleck in der Geschichte der Organisation gesehen, weil das dann öffentlich wird und so.

00:27:53: Aber eigentlich, und das ist es ja auch, aber eigentlich ... Eigentlich, wenn es geschieht, das kann ja keiner ungeschehen machen, aber man muss sich damit beschäftigen, ansonsten passiert der vielleicht noch mehr Leid.

00:28:07: Also, ja, das würde mich freuen, wenn man dahin kommt.

00:28:10: Sorry.

00:28:12: Ja, wir hatten jetzt, glaube ich, gerade ein paar Internetprobleme.

00:28:14: Wir sind persönlich miteinander verbunden.

00:28:15: Da kann es sein, dass da Ton ein bisschen gewackelt hat jetzt eben.

00:28:20: Ich hoffe, dass trotzdem alles soweit verständlich war.

00:28:23: Was ich dir noch fragen wollte, wie ging's dir als Journalistin damit eigentlich so dieses emotional doch schwere Thema zu bearbeiten und auch so tief zu beleuchten, auch mit diesem Leid, dich zu beschäftigen?

00:28:37: Und hast du für dich da irgendwelche Schlüsse auch draus gezogen?

00:28:41: Ja, also wir Journalisten sind ja immer ein bisschen gewöhnt, uns auch mit schlimmen Geschichten zu beschäftigen.

00:28:47: Ich glaub, da legt man sich auch eine dicke Haut zu.

00:28:50: Also ich ... Ich kann das für mich zumindest sagen.

00:28:52: Ich fand es jetzt auch ... Ja, also, leicht war das jetzt nicht.

00:28:56: Und es ist auch nichts, wo man sich gerne eine Schreibtisch setzt.

00:28:58: Aber das gehört dazu.

00:29:00: Und mir ist immer so ein Satz oder eine Aussage von der Christiane Florin.

00:29:05: Das hab ich, glaub ich, auch im Artikel zitiert.

00:29:08: Ist mir so wichtig geworden, die beschäftigt sich ja seit über einem Jahrzehnt damit und wird dann öfter, wenn sie so Vorträge hält, gerade in Kirchen, dann wird sie immer gefragt, warum.

00:29:19: Frau Florin, wie schaffen Sie das denn, sich seit so langer Zeit schon mit Missbrauch immer auseinanderzusetzen und so?

00:29:26: Und dann sagt sie immer, ja, Sie sind doch in der Kirche, wie schaffen Sie es denn, sich nicht damit auseinanderzusetzen?

00:29:31: Und das finde ich eigentlich ein sehr, sehr sinnvolles Zitat, weil tatsächlich müssen wir uns ja alle fragen, warum haben wir uns denn noch nie damit auseinandergesetzt?

00:29:40: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir Menschen kennen, die von Missbrauch betroffen sind oder von sexueller Gewalt betroffen sind, oder dass wir in Organisationen sind, die damit mal zu tun hatten, die ist unwahrscheinlich hoch.

00:29:52: Also man hat ja keine genauen Zahlen, wie viele Missbrauchsfälle es tatsächlich in Kirchen und Diakonischen Einrichtungen und so gibt, weil die Dunkelziffer halt einfach so wahnsinnig hoch ist.

00:30:01: Aber das müssen wir uns alle klarmachen.

00:30:03: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir schon mal Kontakt hatten oder dass das in unseren eigenen Organisationen passiert ist wirklich hoch.

00:30:10: Und deshalb habe ich für mich so mitgenommen, es gibt keinen Grund, sich nicht damit zu beschäftigen eigentlich.

00:30:15: Also ich würde es andersrum sehen.

00:30:17: Wir müssten uns alle viel mehr damit beschäftigen.

00:30:20: Und das ist auch, was ich persönlich mitgenommen habe.

00:30:22: Ich bewege mich ja auch privat im kirchlichen Kontext.

00:30:25: Und ich ... Ich finde, es gibt eigentlich keine Ausrede und keinen Grund, warum nicht jede Kirchengemeinde, jede Organisation, die irgendwie mit Kirchen zu tun hat, natürlich auch andere, auch Sportvereine und so, sich nicht mal ordentlich mit dem Thema sexuelle Gewalt auseinandersetzen und nicht mal Kontakt aufnehmen zu den regionalen Fachstellen oder so.

00:30:52: Also das hat auch die Julia Gebrande.

00:30:54: Die Vorsitzende der Aufarbeitungskommission des Bundes, die hat das auch empfohlen im Interview, die sagte, weil ich sie gefragt habe, was würden sie den Kirchen empfehlen?

00:31:04: Und hat sie gesagt, bevor irgendwas passiert, am besten schon den Kontakt suchen zu den regionalen Fachstellen, weil die gibt es.

00:31:14: Das ist einfach wichtig, das Thema auf dem Schirm zu haben.

00:31:16: Egal, ob man, also es ist eigentlich immer schon zu spät, wenn was passiert ist.

00:31:20: Also es müsste jede Kirche machen.

00:31:23: Ich gab auch den Eindruck, dass das im freikirchlichen Kontext, wo ich herkomme, tatsächlich noch massiv zu kurz kommt.

00:31:32: Ja, ein superwichtiges und auch spannendes Thema.

00:31:36: Vielen Dank, dass du dich da so dahinter geklemmt hast und deine Recherche.

00:31:40: Und es ist auf jeden Fall sehr spannend, was du da ausgefunden hast.

00:31:43: Vielen Dank.

00:31:45: Zum Schluss würde ich gerne noch mal kurz mit dir über dein anderes Interview sprechen, was du mit Volker Diel geführt hast.

00:31:52: Der ist ja Mediziner, hat auch den Bereich geforscht und hat einen Krebs entschlüsselt.

00:31:58: Kannst du kurz noch mal sagen, was das Besondere an diesem Mann ist, den du da getroffen hast?

00:32:04: Ja, das ist tatsächlich gar nicht so leicht zu erklären.

00:32:06: Der Volker Diel, der ist Onkologe.

00:32:11: ist mittlerweile aber siebenundachtzig Jahre alt, also der arbeitet jetzt nicht mehr, also der arbeitet schon noch, aber nicht mehr so im vollzeitlichen Dienst sozusagen, sondern ist natürlich im Ruhestand und der hat den sogenannten Hodgekins Krebs nicht entdeckt, aber entschlüsselt insofern, dass es die Hodgekins Krankheit, die gibt es schon seit Ende des neunzehn Jahrhunderts, glaube ich, wurde die schon bekannt, aber man wusste immer nicht, dass das ein Krebs ist.

00:32:37: Und er hat rausgefunden, dass es eben ... ein Krebs ist und damit auch auf den Weg gebracht, dass das gut behandelt werden kann.

00:32:43: Also für alle, die sich jetzt noch nicht damit beschäftigt haben, sind wahrscheinlich die meisten.

00:32:49: Der Hodgekins Krebs ist ein Lymphdrüsenkrebs.

00:32:51: Es gibt im Grunde, wenn ich das recht verstanden habe, zwei Sorten von Lymphdrüsenkrebs.

00:32:56: Und wenn man einen Hodgekins Lymphohm hat, dann ist es heute so, dass das eigentlich zu achtundneinzig Prozent im späten Stadium sogar noch heilbar ist.

00:33:07: Und daran hat ... Der Volker Diel seinen großen Anteil.

00:33:11: Also hat sein ganzes Leben damit verbracht, dazu zu forschen.

00:33:15: Der Volker Diel ist auch Christ und hat einen sehr tiefen Glauben.

00:33:21: Und ihr habt auch genau darüber gesprochen, was ihm sein Glauben bedeutet.

00:33:25: Und auch im Zusammenhang mit der Frage nach dem Leid.

00:33:28: Also, weil der auch als Onkologen mit sehr viel Leid zu tun hat, mit Tod, mit Menschen, die sterben oder zumindest sehr schwer krank sind.

00:33:37: Was war so das Eindrücklichste?

00:33:39: was du in diesem Gespräch so von ihm erfahren hast.

00:33:42: Mhm.

00:33:44: Ja, genau.

00:33:45: Das bietet sich natürlich, oder was heißt das bietet sich an, aber das fordert so ein Gespräch ja fast schon, dass man über die Leitfrage spricht, weil man einen gläubigen Onkologen vor sich hat, bei dem man ja weiß, der wird viele Patienten in seinem Leben verloren haben an die Krankheit.

00:34:02: Und bei Volker Diehl ist es auch so, dass der tatsächlich auch selber persönlich viel Leid erfahren hat, also seine Frau ist.

00:34:09: an der Leberkrankheit gestorben, auch wirklich über viele Jahre leidend gestorben dann am Ende.

00:34:17: Also, ja, der hat tatsächlich auch einiges mitgemacht.

00:34:23: Und ich fand es ... ich fand es sehr beeindruckend, dass er eigentlich erkannt hat, dass er keine Antwort auf die Leitfrage findet.

00:34:33: Also, es ist wirklich ein sehr gläubiger Mensch.

00:34:36: Und ... Hat Gott auch immer wieder gefragt, so hat er mir das erzählt, was das soll.

00:34:42: Mit dem Leid hat auch gerade, als seine Frau verstorben ist, furchtbar gelitten über Jahre.

00:34:49: Und hat immer wieder mit Gott so gerungen und ist am Ende zu dem Schluss gekommen, dass er das nicht versteht.

00:34:57: Aber dass er trotzdem an Gott glaubt und an ihm festhält.

00:35:00: Und ich glaub manchmal ... Das ist vielleicht die einzige wirklich gute Antwort, die man auf die Leitfrage geben kann.

00:35:07: Nicht eine theologische Erklärung oder tröstende Worte oder so, sondern einfach... Manchmal sind Sachen einfach schlimm.

00:35:18: Und ich erkenne an, die sind schlimm.

00:35:20: Aber trotzdem ändert das nichts an meiner Hoffnung.

00:35:24: Und das finde ich eine... Ja, das hat mich sehr froh gemacht.

00:35:29: Also, grade, nachdem ich mich ja auch jetzt so viel mit Missbrauch und ... in dem Fall von Volker Diel viel mit dieser Krebsart da beschäftigt hab und ... ja, das ist was, was ich, glaub ich, auch in meinem privaten Kontext so mitnehmen kann.

00:35:45: An der Hoffnung festhalten, auch wenn man Gott nicht immer versteht ... oder vielleicht auch ganz selten nur so richtig versteht.

00:35:54: Ja, das fand ich ermutigend.

00:35:57: Das ist doch sehr schön.

00:35:59: Vielen Dank, dass du uns diesen Einblick gegeben hast.

00:36:01: Und das hoffen wir natürlich auch und wünschen wir allen Hörern und Lesern auch, dass sie was von dieser Hoffnung vielleicht erfahren, auch durch die Beiträge und dann auch in ihrem Leben das erleben, dass es sich lohnt, an der Hoffnung festzuhalten.

00:36:15: Vielen Dank, Anna, für deine Einblicke.

00:36:17: Wir sind gespannt, was du in der nächsten Prüf schreibst.

00:36:20: Und allen Hörern, vielen Dank fürs Zuhören.

00:36:23: Genau, lest gerne unser Magazin, könnt auf unsere Webseite, die Artikel finden, die stellen wir dann alle online.

00:36:29: Wenn ihr Fragen habt oder Anmerkungen zu diesem Thema, den wir besprochen haben, dann meldet euch sehr gerne.

00:36:34: Die Kontaktmöglichkeiten schreiben wir in die Shonoz rein.

00:36:37: Wir freuen uns, von euch zu hören.

00:36:39: Und ihr hört uns dann das nächste Mal mit einer neuen Folge von unserem neuen Podcast.

00:36:45: Bis dahin, tschüss.

00:36:46: Tschüss.

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